Überblick
Das Telefonhäuschen, am Anfang auch Fernsprechzelle, Fernsprechkiosk oder Straßensprechstelle genannt, heißt ab 1927 amtlich »Fernsprechhäuschen«. Im allgemeinen Sprachgebrauch bürgerte sich aber immer mehr die Bezeichnung »Telefonhäuschen« ein. Das führte Anfang der 80er Jahre auch bei der Deutschen Bundespost zur amtlichen Umbenennung in »Telefonhäuschen«. Es wird heute von führenden Vertretern der Telekom gerne als das kleinste, aber wichtigste Gebäude der Telekom bezeichnet.
Das Telefonhäuschen hat in der Entwicklungszeit des öfteren sein Gesicht verändern müssen. Die Aufgabe aber, einem breiten Publikum zu jeder Zeit und an möglichst vielen Orten das Telefonieren zu ermöglichen, ist noch die gleiche geblieben. Waren die Benutzer zum Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts Personen ohne eigenen Fernsprechanschluß, so ist es heute eine extrem mobile Gesellschaft, die solcher Einrichtungen bedarf.
Nachdem die ersten Stadtfernsprechanlagen (in Berlin am 12. Januar 1881) eingeschaltet worden waren, stellte sich sehr bald heraus, daß der Vorteil eines Fernsprechapparates doch recht groß war. Um möglichst schnell einem großen Personenkreis das neue Medium zur Verfügung zu stellen, wurden sogenannte »öffentliche Fernsprechstellen« eingerichtet. Sie waren von jedermann gegen eine Gebühr von 50 Pf für je 5 Minuten Sprechzeit zu benutzen. Das 50-Pf-Billet wurde im Postamt am Schalter verkauft. Gegen eine besondere Gebühr war es auch möglich, einen Gesprächspartner herbeirufen zu lassen.
Bis zur Jahrhundertwende wurden hierzu ganz normale Fernsprechapparate eingesetzt. Ab Mitte 1899 machte man in Berlin die ersten Versuche mit Fernsprechautomaten, d. h. Fernsprechapparaten mit Geldeinwurf. Diese wurden in der Zeit der Inflation und für einige Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg auf Telefonmünzen umgerüstet. 1983 begann die Erprobung von Kartentelefonen, die heute bereits zum Standard gehören.
Entwicklung der Telefonhäuschen
Für die öffentlichen Fernsprechstellen entwickelte man zunächst schallisolierte, aus Holz bestehende Fernsprechzellen. Sie waren im allgemeinen in Post- oder Telegrafenanstalten untergebracht. Die erste uns überlieferte Bauweise einer Fernsprechzelle kann dem Buch »Die allgemeinen Fernsprecheinrichtungen« von C. Grawinkel, Berlin 1882, entnommen werden.
Den ersten Hinweis, daß in einzelnen großen Städten an lebhaften Verkehrspunkten besondere Häuschen errichtet werden sollen, findet man in dem Werk »Die Fernsprechtechnik der Gegenwart« von C. Hersen und R. Hartz, Braunschweig 1910. Hier spricht man nicht mehr von Zelle, sondern von Häuschen, da diese auch wetterfest sind. Erst mit dem Amtsblatt des Reichspostministeriums, Nr. 30 vom 25. August 1921, wurde bestätigt, daß öffentliche Sprechstellen auch auf Straßen und Plätzen eingerichtet werden konnten. Noch gab es allerdings keine einheitliche Form, sondern jede Oberpostdirektion klärte diese Frage mit der jeweiligen Stadtverwaltung unmittelbar.
Das Ziel aber war, ein einheitliches Äußeres der Häuschen zu entwickeln, was dann auch 1930 verwirklicht wurde. In der »Allgemeinen Dienstanweisung für Post und Telegraphie« von 1932 legte man fest, wie das Fernsprechhäuschen auszusehen hatte:
»Die Ö auf Straßen und Plätzen werden im allgemeinen in posteigenen Fernsprechhäuschen untergebracht. Die Häuschen sind für das ganze Reichspostgebiet möglichst einheitlich nach den RPZ-Zeichnungen 142 W 5, Bl. l bis 9, zu gestalten. Es gibt Häuschen mit einer Grundfläche von l xl m und 1,13 x 1,13 m. In das Häuschen mit 1,13 x 1,13 m Grundfläche können bei Bedarf bis zu drei von außen benutzbare Postwertzeichengeber eingebaut werden.«
Von diesem Zeitpunkt an waren auch die Farben für die Häuschen festgelegt. Außen waren sie mit gelber und blauer Ölfarbe, innen mit weißer und (bis zur Höhe der Wert-Zeichengeber) blauer Emaillefarbe gestrichen. Ab Mitte 1934 änderte sich die Farbgebung: außen Ölfarbe in schwarz, weiß und überwiegend rot, innen weiße und (bis zur Höhe der Wertzeichengeber) rote Emaillefarbe. Die Verteilung der Farben im einzelnen war in der RPZ-Norm 42051/1 festgelegt.
An den Fernsprechhäuschen war ein Bezeichnungsschild Öffentlicher Fernsprecher angebracht und innen das Schild mit der Aufschrift Fasse dich kurz! Nimm Rücksicht auf Wartende.
Auch die »Deutsche Reichs-Postreklame GmbH« bemühte sich in diesen Jahren in verstärktem Maße darum, freie Flächen in den Fernsprechhäuschen zu Werbezwecken anzubieten. Viele Gespräche mußten damals von den Fernsprechhäuschen geführt werden, die stark frequentiert wurden. Durch gute Plazierung der Plakate und Ankündigungen, ständig in Sichtweite des Anrufers, waren hervorragende Werbemöglichkeiten gegeben.
Die ersten »Technischen Vorschriften« der Deutschen Post für die Fernsprechhäuschen Bauart 1932 wurden im April 1949 vom Fernmeldetechnischen Zentralamt (FTZ) herausgegeben. Eine wesentliche Veränderung der äußeren Form war damit aber nicht verbunden. Erst in den Änderungen zu den »Technischen Vorschriften«, gültig ab März 1951, heißt es unter anderem: »... es bestehen keine Bedenken, bis zur Schaffung einer neuen postgenormten Form die von den Lieferfirmen jetzt in Leichtbauweise (kaltgeformtes und verschweißtes Stahlblech) hergestellten Fh zuzulassen, wenn sie auch in der äußeren Form von der Bauart 32 abweichen ...«
Obwohl bekannt ist, daß die rote Farbe der Fernsprechhäuschen bereits seit 1946 durch die gelbe Farbe ersetzt worden ist, wird dies erst im März 1951 schriftlich bestätigt. Danach sah die Verteilung der Farben folgendermaßen aus: Außenseiten postgelb (RAL 1005), Inneres weiß (RAL 9002), Beschriftung, Verzierung und Sockel schwarz (RAL 9005).
Die nun folgende Beschreibung von Fernsprechhäuschen bezieht sich auf Typen, die heute noch an vielen Stellen in Stadt und Land zu finden sind.
1953 war ein neues Fernsprechhäuschen einführungsreif. Es gibt zwei Ausführungen unter der Bezeichnung FeH 53 und FeH 53p. Im FeH 53p können in der Rückwand Einbauten für postalische Zwecke (z. B. Wertzeichengeber) vorgenommen werden. Als besonderes Merkmal hat dieses Häuschen eine Einschwenktür. Diese Tür macht es möglich, Fernsprechhäuschen selbst in engen Passagen aufzustellen. Auch ist der Kraftaufwand zum Öffnen der Tür bei starkem Wind geringer. Da diese Konstruktion relativ teuer ist, wird sie nur an besonderen Stellen eingesetzt.
Das Standard-Fernsprechhäuschen wurde dann der Typ FeH 55. Es wird wahlweise mit rechts oder links angeschlagener Tür geliefert. Dieses Häuschen besteht in den tragenden Teilen noch aus Stahlblech. Seit April 1972 lief ein Betriebsversuch mit Häuschen, die vollständig aus Kunststoff hergestellt waren.
Das FeH 53p wurde bis Ende 1969 aufgestellt und die FeH 53 und 55 bis 1979. Danach folgte der Typ FeH 78, bei dem das Gehäuse einschließlich Dach, Tür, Montageplatte und Schutzschrank aus glasfaserverstärktem Polyesterharz besteht.
Mitte des Jahres 1980 wurden an verschiedenen Stellen im Bereich der DBP Fernsprechhäuschen für Rollstuhlbenutzer zur Probe aufgestellt, die nach einigen Verbesserungen unter der Bezeichnung FeHR 1982 eingeführt wurden.
Neues Design ist gefragt
In den Jahren 1985/86 wurde ein Designwettbewerb durchgeführt, der zum Zweck hatte, ein möglichst auffallendes, aber trotzdem in das Stadtbild passendes Telefonhäuschen (es heißt jetzt Telefon, nicht mehr Fernsprecher) zu kreieren. Dem Wettbewerb folgte 1988 ein Praxistest mit drei unterschiedlichen Typen. Unabhängig davon wurde aus dem Designwettbewerb ein besonderes Telefonhäuschen für historische Stadtumgebungen oder dörfliche Bereiche mit Fachwerkbauten ausgewählt und Mitte 1989 eingeführt.
Im März 1992, anläßlich einer Pressekonferenz auf der CeBIT in Hannover, wurden neue Telefonhäuschen offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Modelle bestechen durch modernes Design und erhöhte Benutzerfreundlichkeit. Piktogramme am Dach der Häuschen zeigen schon von weitem, ob das Telefon anrufbar ist, eine Notruffunktion hat, und ob es sich um ein Karten- oder Münztelefon handelt. Auch das Innere wurde übersichtlicher gestaltet.
Durch eine abgesenkte Türschwelle und einen tiefergehängten Telefonapparat sind die neuen Modelle auch für Rollstuhlfahrer geeignet, was von den Sprechern der Rollstuhlfahrer nicht immer so gesehen wird, wie ein Pressebericht der Taunuszeitung vom 27. Juli 1992 anläßlich der Einweihung eines neuen Telefonhäuschens in Kronberg/Taunus belegt:
»Als die neue Telefonzelle eingeweiht wurde, gingen bei Christa Jaenich die Rolläden runter: Wie soll denn da ein Rollstuhlfahrer reinpassen? fragte die ehrenamtliche Behindertenbeauftragte aufgebracht. Gestern machte sie mit Heiderose Rauscher den Rollstuhltest. Fazit: Das Häuschen ist zu eng, die Schwelle zu hoch. ..« Hier scheint die neue Fernsprechhaube doch wesentlich geeigneter zu sein.
Das Erscheinungsbild der Telefonhäuschen wird ebenso durch eine völlig neue Farbgebung geprägt. Gelb ist out. Telekom, die neue Firmenbezeichnung nach der Dreiteilung der Deutschen Bundespost, präsentiert sich in den neuen Farben des Unternehmens: Weiß, Grau und Magenta. Dabei beschränkt sich die Farbe Magenta im wesentlichen auf den Dachbereich.
Das neue Aussehen der Telefonhäuschen scheint aber dem Unternehmen noch nicht auszureichen, so wurde in der Mitarbeiter-Zeitung »TelekomMonitor« vom März 1992 ein Wettbewerb für einen neuen Namen ausgeschrieben. Das Ergebnis wurde in der gleichen Zeitung, Ausgabe August 1992, bekanntgegeben. Eine Vielzahl von Einsendern, gut 62%, nennt »Telebox« oder »Telekombox«, knapp 60% entscheiden sich für den Namen »Telepoint«. Noch heißt es aber Telefonhäuschen, und so wird es wohl auch noch einige Zeit bleiben. Die amtliche Bezeichnung ist allerdings »Öffentliches Telefon« (ÖTel) oder »ÖTel-Fax«, wenn das Telefonhäuschen auch mit einem Faxgerät ausgestattet ist.
Bis zum heutigen Zeitpunkt werden Telefonhäuschen an das öffentliche Starkstromnetz für die Beleuchtung angeschlossen. »Die Welt« berichtet am 25. Januar 1993 von der Einrichtung zweier Solar-Telefonhäuschen in Leipzig, d. h. Batterien werden dort mit Sonnenenergie aufgeladen, um bei Dunkelheit den Strom für die Beleuchtung zu liefern.
Es gibt zur Zeit (Mitte 1994) ca. 120 000 Telefonhäuschen in Deutschland, die Zug um Zug im Rahmen des normalen Verschleißes durch die neuen Häuschen ersetzt werden sollen.
Quelle: Das Telefonhäuschen..., aus Archiv für deutsche Postgeschichte 2/94, mit freundlicher Genehmigung vom Autor Manfred Bernhardt. Vielen Dank!